Ein Kurzporträt von Friedrich-Wilhelm Marquardt


Andreas Pangritz


marquardtFriedrich-Wilhelm Marquardt (1928-2002) war Professor für Systematische Theologie (und als solcher Nachfolger von Helmut Gollwitzer) am Fachbereich „Philosophie und Sozialwissenschaften“ der Freien Universität Berlin.
Er kann unter den evangelischen Theologen in Deutschland als einer der einflussreichsten Pioniere der Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses nach der Schoa gelten. Die Reflexion der mit der Begegnung von Christen und Juden verbundenen Chancen und Probleme, die Erkenntnis der Mitverantwortung und Schuld von Christen an der Vernichtung des europäischen Judentums, aber auch die Betonung der Bedeutung der Rückkehr des jüdischen Volkes in sein Land und der Gründung des Staates Israel für die Christen stellen für Marquardt keine Randthemen der Theologie dar, sondern prägen seine theologische Lehre im Kern.
Ursprünglich in Marburg durch die theologische Schule Rudolf Bultmanns geprägt, wurde Marquardt später – durch ein Aufbaustudium in Basel – ein Schüler Karl Barths. Marquardts spezifische Interpretation der Theologie Barths erregte einige Kontroversen: In seiner Dissertation (1967) untersuchte er Barths Israellehre, wobei seine kritischen Anmerkungen noch die erstaunte Zustimmung seines Lehrers erhielten, – begleitet freilich von besorgten Worten im Blick auf seine künftige theologische Entwicklung. In seiner – von der Kirchlichen Hochschule Berlin abgelehnten – Habilitationsschrift analysierte Marquardt die Bedeutung des Sozialismus für Barths theologisches Denken, was damals den schärfsten Protest der etablierten “Barthianer” provozierte, während andere – wie v.a. Helmut Gollwitzer – sich Marquardts Perspektive zueigen machten.
In seiner späteren Dogmatik, die – aus Vorlesungen an der Freien Universität Berlin entwickelt – zwischen 1988 und 1997 in sieben Bänden erschien, hat Marquardt die Fragestellungen, die sich aus dem christlich-jüdischen Verhältnis ergeben, in umfassender Weise aufgegriffen, um eine Revision des traditionellen Antijudaismus der christlichen Lehre einzuleiten. Als der ursprüngliche Anstoß dieser Revision mag die erste Israelreise gelten, die Marquardt als Studentenpfarrer an der Freien Universität Berlin mit Studierenden im Jahr 1959 unternommen hatte. Als ihr wichtigster “Sitz im Leben” kann die neue Begegnung von Christen und Juden betrachtet werden, wie sie sich seit 1961 in der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag und ähnlichen Gesprächsforen ergab.

Wichtige Veröffentlichungen von Friedrich-Wilhelm Marquardt:

Die Entdeckung des Judentums für die christliche Theologie. Israel im Denken Karl Barths (München 1967).
Theologie und Sozialismus. Das Beispiel Karl Barths (München 1972).
Verwegenheiten. Theologische Stücke aus Berlin (München 1981).
Von Elend und Heimsuchung der Theologie. Prolegomena zur Dogmatik (München 1988).
Das christliche Bekenntnis zu Jesus, dem Juden. Eine Christologie, 2 Bände (München 1990 u. 1991).
Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürften? Eine Eschatologie, 3 Bände (Gütersloh 1993, 1994 u. 1996).
Eia, wärn wir da – eine theologische Utopie (Gütersloh 1997).
Auf einem Schul-Weg. Kleinere christlich-jüdische Lerneinheiten (Berlin 1999).

 

Design downloaded from Zeroweb.org: Free website templates, layouts, and tools.